Arbeitnehmer und Wechselbereitschaft – eine Generationenfrage?

Die Bindung an den Arbeitgeber nimmt von Generation zu Generation tendenziell ab. Warum ein Umdenken im Personalmarketing nötig ist.


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Der Arbeitnehmer betrachtet ein Unternehmen bzw. sein Arbeitsverhältnis heute mit anderen Augen als es noch gestern der Fall war. Die Bindung an den Arbeitgeber nimmt von Generation zu Generation tendenziell ab. Die sogenannten Millennials wechseln häufiger als die Generation X, die wiederum häufiger als die Babyboomer.

Die Bereitschaft den Job zu wechseln ist bei den „jungen“ Menschen scheinbar eher gegeben als bei den „Alten“. Einige Studien, untersuchen und bestätigen diese These. Warum das so ist? Betrachten Sie doch Ihren Mitarbeiter mal aus Marketingsicht. Stellen Sie sich vor ihr Mitarbeiter wäre ein Kunde.

Bei der Entwicklung von Marketingstrategien und Kampagnen fragen wir immer nach den Motiven und Bedürfnissen unseres Kunden (unserer Zielgruppe), um das Handeln zu verstehen und daraus entsprechende Maßnahmen zu bestimmen. Nur so können wir eine geeignete Mechanik zur Aktivierung entwickeln. Ein einfaches und weitverbreitetes Modell ist die sogenannte Maslowsche Bedürfnispyramide (aus Bedürfnishirarchie).

Exkurs: Die Maslowsche Bedürfnispyramide

Dieses theoretische Grundlagenmodell aus der Sozialpsychologie beschreibt und erklärt Motivationen und Bedürfnisse des Menschen. Die Bedürfnispyramide ermöglicht es uns die verschiedenen Zielgruppen auf Grundlage Ihrer Bedürfnisse besser zu verstehen. Natürlich lässt sich das auch auf die Mitarbeiter übertragen.

Ein Bedürfnis beeinflusst nur das Handeln, solange es unbefriedigt ist. Jedoch wird das Handeln nicht von innen angetrieben, sondern eher von den Folgen der Befriedigung angezogen.

Maslowsche Bedürfnispyramide

Die Maslowsche Bedürfnispyramide beschäftigt sich mit Wirkung, Inhalt und Art von Motiven, die unser Handeln beeinflussen. Maslow fand heraus, dass einige Motive einen höheren Stellenwert haben als andere. Maslow stellte fünf Bedürfnis-Kategorien auf: angefangen mit den Grundbedürfnissen (Physiologischen Bedürfnissen) bis hin zur Selbstverwirklichung des Menschen.

Des Weiteren unterteilt er die Bereiche in Defizitbedürfnisse (Mangelbedürfnisse) und Wachstumsbedürfnisse (unstillbare Bedürfnisse). Unbefriedigte Defizitbedürfnissen können körperliche und/oder seelische Störungen hervorrufen. Wachstumsbedürfnisse jedoch können so gut wie nie befriedigt werden.

Motivation im Generationenkonflikt

Was heißt das für den Umgang mit Ihren Mitarbeiter? Für ein Verständnis der unterschiedlichen Motive und Bedürfnisse der westdeutschen Nachkriegsgenerationen werfen wir doch einen kleinen Blick zurück.

Kindheit/Jugend 1950/1960 – Die Babyboomer und das Wirtschaftswunder

Früher war doch alles scheinbar so einfach: Wer einen guten Job machte, bekam als Gegenleistung eine sichere Stelle bis zur Rente und die Kinder einen Ausbildungsplatz im Unternehmen. Der „Chef“ sorgte dafür, dass alle genug Arbeit haben, die Löhne pünktlich gezahlt werden und die Mitarbeiter und ihre Familien sozial abgesichert sind. Für die erste Nachkriegsgeneration, die sogenannten Babyboomer, das Paradies: Tausche Arbeitskraft für Wohlstand und Sicherheit. Nie wieder hungern, frieren, verzichten. Wirtschaftswunder und Konsumfreude – die Vision der ewigen Glückseligkeit.

Da ist es kein Wunder, dass der Job und damit auch der Arbeitgeber an erster Stelle stand. Die Motivation war klar: Alles für die Firma geben, dann läuft es zuhause gut! Durch die klassische Rollenverteilung – die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder, der Mann geht arbeiten – verteilten sich die Aufgaben ganz von selbst. Die optimistische Zukunftsperspektive: Es geht immer so weiter, die Kinder sollen es dann mal guthaben – sie müssen nur den eingeschlagenen Weg fortsetzen.

Kindheit/Jugend 1970/1980 – Die Generation X und die Krise

Und dann? Dann kam die Krise. Die 1970 waren geprägt von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und steigenden Sozialausgaben. Diese Klima der wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheit manifestierte sich auch deutlich in der Gesellschaft. Während sich die Baby Boomer darauf fokussierten den Status Quo und damit alles, was sie sich aufgebaut haben mit Fleiß, Disziplin, Pflichtbewusstsein und Angepasstheit zu halten, prägten sie die Nachfolgegeneration mit Ihren Ängsten und Unsicherheiten vor der Zukunft.

Die Kinder dieser Zeit litten nicht an Hunger, Durst und Kälte, den physiologischen Grundbedürfnissen. Sie „hungerten“ nach Verständnis durch die Eltern. In der Soziologie fasst man sich unter Generation X, in Deutschland im speziellen auch Generation Golf, zusammen. Ihre sozialen Bedürfnisse konnte die Elterngeneration nicht verstehen. „Sie haben doch alles, was wir nicht hatten“, einer der Schlüsselsätze. Die Sehnsucht nach Freunschaft, Liebe und Gruppenzugehörigkeit musste außerhalb der Familie befriedigt werden. Sie wollten es als Eltern später anders machen.

Kindheit/Jugend 1980/1990 – Die Millenials und die Jahrtausendwende

Die nach 1980 geborenen Millenials sind die Kinder der Generation X. Gerne stempelt man sie als „zu selbstsicher, unmotiviert und nicht belastbar“ ab. Sie „vergeuden ihre Zeit“ bei Instagram, Facebook und Co. und sind dabei arbeitsscheu. Doch ist auch diese Generation, entgegen vieler Vorurteile, leistungsorientiert. Man möchte auch erfolgreich sein – aber nicht um jeden Preis. Familie, Freunde und persönlicher Interessen dürfen nicht zu kurz kommen.

Diese Kinder sind vor der Jahrtausendwende geboren und sind mit alltäglicher Technik groß geworden. Sie haben weder Hungersnöte noch Kriege erlebt und ihre Eltern haben ihnen die nötige Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegengebracht. Somit haben sie ganz andere Bedürfnisse. Sie streben nach der nächsten Stufe in der Bedürfnishierarchie: Sinnhaftigkeit.

Sinn ist die beste Antriebsfeder

Sinnstiftende Aufgaben, kreative Freiräume und Unternehmensziele, die nicht nur profitorientiert sind. Das wird heute von immer mehr Mitarbeitern eingefordert. In der Kreativbranche und in vielen Startups ist diese Forderung schon fast Standard, doch auch in der „klassischen“ Arbeitswelt wird der Ruf danach immer lauter. Und da das Angebot an potentiellen neuen Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt rückläufig ist, lässt sich diese Situation nicht ignorieren. Viele Branchen suchen derzeit händeringend nach Azubis und Fachkräften.

Das heißt nicht, dass Geld und Status heute als Motivationsquelle ausgedient hätten. Aber viele Menschen sind bereit, bei Geld und Status Einbußen zu machen, wenn sie ihre Aufgabe als sinnvoll erachten. Aber nicht nur die Millenials möchten eine Arbeit, die sinngebend ist und zur Selbstverwirklichung beiträgt. Leistung und Lebensgenuss sollen sich nicht ausschließen. Dieser Wunsch ist natürlich keine Erfindung der Millenials. Was aber neu ist: Diese Generation spricht es direkt aus und fordert es schon zum Berufsstart ein – nicht erst nach unzähligen Berufsjahren. Sie verzichtet auf Geld zugunsten von mehr Freizeit und möchte trotzdem die Führungsposition.

Und nun?

Und nun steht man als Arbeitgeber da und weiß trotzdem nicht, was zu tun ist. Woher weiß ich denn, was für Bedürfnisse meine Mitarbeiter haben? Wie bringe ich die verschiedenen Bedürfnisse meiner Mitarbeiter unter einen Hut. An welchen Stellschrauben kann bzw. muss ich drehen. Was ist mit meinen eigenen Erwartungen und Anforderungen? Wie bringe ich meine Unternehmensziele mit diesen Herausforderungen in Einklang?

Fragen über Fragen, die sich nicht pauschal beantworten lassen. Fest steht aber, dass eine eindeutige Positionierung Klarheit und Orientierung gibt – nicht nur für Kunden sondern auch Mitarbeiter. Die Bindung und Auwahl der geeigneter Mitarbeiter wird zukünftig ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein, denn der Arbeitgebermarkt entwickelt sich zum Arbeitnehmermarkt. Wer sich in Zukunft um die besten Mitarbeiter bewerben will (und das wird kommen!), der muss ein klares Profil und eine sinnhafte Vision haben.